Ein Gespräch über den Berufswahlunterricht mit Frederick Hart, pädagogischer Co-Leiter im 3. Zyklus

Frederick Hart, im 3. Zyklus wird die Berufswahl zu einem dominanten Thema. Wie helfen Sie den Schüler:innen dabei, einen Weg einzuschlagen, der zu ihnen passt?

In der 1. Sek machen unsere Schülerinnen und Schüler am Zukunftstag mit, wo sie das erste Mal mit ihrer Berufswahl konfrontiert werden. Schon dabei geht es darum, einen Einblick in die Berufswelt und deren Angebote zu bekommen. Mit dem eigentlichen Berufswahlunterricht beginnen wir in der 2. Sek. Am Anfang lernen die Jugendlichen die verschiedenen Hilfsangebote online kennen, ausserdem machen wir einen Besuch im Laufbahnzentrum. Danach geht es in den ersten Wochen vor allem um das duale Bildungssystem der Schweiz und die Möglichkeiten, die dieses bietet. Durch das Lösen von unterschiedlichen Aufgaben lernen die Schülerinnen und Schüler ihre Stärken und Schwächen kennen. Weiter füllen sie mindestens einen Fragebogen aus, um passende Berufsfelder zu identifizieren. Das Schnuppern erlauben und unterstützen wir von der 1. Sek an. Aktiv dazu aufgefordert werden die Schülerinnen und Schüler aber erst ab der 2. Sek. Ab da verfolgen wir den Ansatz, dass sie so viel wie möglich schnuppern gehen sollten.

Ich lege grossen Wert darauf, dass die Schülerinnen und Schüler einen Beruf wählen, der ihren persönlichen Interessen entspricht. Deshalb versuche ich, ihnen den Unterschied zwischen ihren eigenen Bedürfnissen und denjenigen von Aussenstehenden bewusst zu machen. Aber auch wenn sie ihre Bedürfnisse kennen, reichen die schulischen Voraussetzungen manchmal nicht aus, um den gewünschten Weg einzuschlagen. Dann ist es wichtig, sie mit viel Geduld zu begleiten und ihnen immer wieder Alternativen aufzuzeigen, die von den Lerncoaches als geeignet erachtet werden.

Geht die LIPSCHULE diesen Prozess anders an als die öffentlichen Schulen?

Nein. Wir arbeiten grundsätzlich mit denselben Materialien (hauptsächlich yousty.ch). Im Vergleich zur öffentlichen Schule erlaubt uns das Lerncoachsystem aber, die Begleitung der Berufswahl individueller zu gestalten. Die Lerncoaches fragen auch nach, wie es läuft, und wollen wissen, wo die Schülerinnen und Schüler stehen. Zudem geben sie wertvolle Tipps und sorgen für die nötige Motivation.

In unserer Gesellschaft geniessen akademische Berufe oftmals einen höheren Stellenwert als andere. Raten Sie Ihren Zöglingen dennoch zum Abschluss einer Berufslehre?

Das man nur mit Gymi und Matura eine Chance auf einen gut bezahlten Job hat, ist ein Mythos, der vor allem bei Expats weit verbreitet ist. Dabei ermöglicht einem das duale System das Studieren auch nach Abschluss einer EFZ-Lehre, über die Berufsmatura oder die Passerelle. Ich bin überzeugt davon, dass eine Lehre vielen Jugendlichen guttut, und das nicht nur wegen der Ausbildung, die sie dabei durchlaufen. Sondern auch, weil sie lernen, mit ihrem Lohn umzugehen und Verantwortung zu tragen sowie sich daran gewöhnen, mit Erwachsenen zusammenzuarbeiten.  Dabei spielt es keine Rolle, um welches Berufsbild es sich handelt, diese Erfahrungen können bei jeder Lehre gemacht werden.

Wie werden Schüler:innen, welche sich für weiterführende Schulen interessieren, unterstützt und gefördert?

Für die Aufnahmeprüfung an eine weiterführende Schule bieten wir einen internen Vorbereitungskurs an, welcher aber extra kostet. Die Schülerinnen und Schüler, welche diesen belegen, werden auch während dem restlichen Unterricht individuell gefördert. So werden sie zum Beispiel bei ihren Coachinggesprächen dazu motiviert, zusätzliche Aufgaben zu lösen.

Was tun Sie, wenn ein Kind wenig bis gar keine Interessen zeigt, welche sich zu einem Beruf machen liessen?

Ich ermutige dieses Kind, viele verschiedene Berufsbilder kennenzulernen, am besten bei einer Schnupperlehre. Meist löst das dann Interesse an einem bestimmten Beruf aus. Oder wir sprechen über Zukunftspläne, um herauszufinden, welches der nächste Schritt zu deren Realisierung wäre. Es braucht gar nicht immer das «eine» Interessensgebiet, welches dann zum Beruf gemacht wird. Das duale Bildungssystem ist nämlich sehr flexibel, weshalb es auch nicht nötig ist, von Anfang an einen Weg einzuschlagen, der auf lange Sicht zu einem passt. Die Welt verändert sich stetig und damit auch die Tätigkeiten der Menschen. Es ist alles in Bewegung und entsprechend sucht man heute nicht mehr den «einen» Job für den Rest seines Lebens. Dies mache ich auch den Schülerinnen und Schülern klar.